- Lebensraum: Zerstörung durch Landerschließung
- Lebensraum: Zerstörung durch LanderschließungDie Landwirtschaft wird als Bewirtschaftung des Bodens zur Gewinnung pflanzlicher und tierischer Produkte für die Bedarfsdeckung der Menschheit definiert. Im Rahmen der Gesamtwirtschaft zählt sie zusammen mit der Forst- und Fischereiwirtschaft sowie dem Bergbau zum primären Sektor. Dieser steht dem sekundären Sektor des produzierenden Gewerbes mit Industrie und Handwerk sowie dem tertiären der Dienstleistungen gegenüber. Hierbei sind die naturgeographischen Grundlagen mit der Wechselwirkung von Relief, Klima, Boden, Pflanzen- und Tierwelt für die Agrarwirtschaft von weit größerer Bedeutung als für die anderen Wirtschaftszweige. Die Landwirtschaft sichert die Nahrung für die Menschheit, sie gefährdet aber auch — wie noch zu zeigen ist — das sensible ökologische Gleichgewicht der Natur. Die Zukunft der Menschheit wird dabei unter anderem sehr wesentlich von der Harmonisierung der menschlichen Bedürfnisse mit den Gegebenheiten und den Ressourcen der Natur abhängen.Rasante BevölkerungsentwicklungDie Diskrepanz zwischen Bevölkerungswachstum und Nahrungsmittelproduktion ist in den Industrie- und Entwicklungsländern unterschiedlich und spiegelt sich im Nord-Süd-Gefälle wider. Das höchste Bevölkerungswachstum weisen die Entwicklungsländer auf. Dort leben fast drei Viertel der Menschheit. Infolge der hohen Zuwachsraten kommen auf die Entwicklungsländer schwere Belastungen zu, da schätzungsweise jedes Prozent Bevölkerungszunahme etwa drei Prozent des Volkseinkommens für Neuinvestitionen erfordert und die Agrarproduktion in aller Regel auch nicht mit dem Bevölkerungswachstum Schritt halten kann. In den wohlhabenden Industrienationen stagniert demgegenüber die Bevölkerungszahl. Die Auswirkungen des rasanten Bevölkerungsanstiegs auf die Umwelt der Entwicklungsländer sind vielfältig. Da eine wachsende Bevölkerung mehr Lebensraum braucht, werden Flächen, die bisher nicht besiedelt oder genutzt waren, »kultiviert« und in den Wirtschaftsprozess einbezogen. Für eine Steigerung der Nahrungsmittelproduktion werden allzu häufig Anbauflächen erschlossen, die für eine intensivere Bodenbearbeitung nicht geeignet sind.Auf regionaler Ebene zeigt die Bevölkerungsdichte größere Unterschiede als das Bevölkerungswachstum. Die Dichtezentren der Menschheit liegen in Westeuropa zwischen Südostengland und Norditalien, in Süd- und Ostasien (Gangesniederung, Tiefländer Ostchinas, Japan, Java) und an der Ostküste Nordamerikas. Dabei wächst die Bevölkerung in den Dichtezentren der Entwicklungsländer stärker als die in denjenigen der Industrieländer. Bevölkerungsverteilung und -dichte müssen im Zusammenhang mit der lokalen Tragfähigkeit und der weltwirtschaftlichen Verflechtung gesehen werden. In den Industrieländern lassen sich bei hohem Kapitaleinsatz durch Rationalisierung und Mechanisierung mit wenigen Arbeitskräften sehr viel höhere Erträge erzielen als in den Entwicklungsländern, die zwar einen hohen Anteil an landwirtschaftlichen Erwerbspersonen aufweisen, jedoch noch mit veralteten und zeitaufwendigen Methoden arbeiten. Global betrachtet sind etwa 45 % aller Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt. In den Entwicklungsländern liegt ihr Anteil meist über 60 %, in den Industrieländern dagegen oft unter 20 %.Steigerung der landwirtschaftlichen ProduktionDie gesamte Weltproduktion an Nahrungsmitteln nahm zwischen 1970 und heute jährlich um durchschnittlich gut zwei Prozent zu und wird damit im Jahr 2000 um rund 90 Prozent höher liegen als 1970. Das Problem der Unterernährung ist jedoch weltweit trotz dieser Steigerungsrate bis heute nicht beseitigt worden. Die Ernährungsbilanz, das Verhältnis zwischen Bevölkerungsverteilung und Nahrungsversorgung, weist etwa zwei Milliarden Menschen als unterernährt aus. Sie leben im Hungergürtel der Erde, der weite Teile Afrikas, Lateinamerikas sowie Vorder-, Süd- und Südostasiens umfasst.Die agrarische Tragfähigkeit bezeichnet die Anzahl von Menschen, die in einem abgegrenzten Raum unter Berücksichtigung des dort in naher Zukunft erreichbaren Kultur- und Zivilisationsstands auf überwiegend agrarischer Grundlage längerfristig unterhalten werden kann, ohne dass der Naturhaushalt nachteilig beeinträchtigt wird. Dabei ist der letzte Gesichtspunkt von besonderer Wichtigkeit. Die Erhöhung der Nahrungsmittelproduktion durch Expansion der Agrarflächen und Intensivierung der Nutzung findet dort ihre Grenzen, wo der Natur- und Energiehaushalt gestört und überfordert wird.Vom Jäger und Sammler zum HochleistungsfarmerDer entscheidende Übergang von der aneignenden Wirtschaftsweise der Jäger und Sammler zur produzierenden Landwirtschaft mit Anbau, Nutztierhaltung und permanenten Siedlungen fand nach der Würm-Eiszeit vor etwa 12 000 Jahren statt. Die Kerngebiete früher landwirtschaftlicher Nutzung liegen in den Gunsträumen der Tropen und Subtropen, am Rand der Savannen und Steppengebiete. Sie entstanden im südasiatischen Raum, in Afrika am Nordrand des Regenwalds, im südlichen Mexiko sowie im nordwestlichen Südamerika.Der Ackerbau wurde weiterhin durch die klimatisch günstigen Bedingungen, die während des Neolithikums herrschten, gefördert. Im ersten Jahrtausend vor Christus umfasste der Agrarraum der Erde bereits einen breiten Gürtel, der von Europa nach Nordafrika über Südwestasien bis Südost- und Ostasien reichte und Mittelamerika mit einschloss. In der folgenden Zeit gestaltete sich jedoch die Entwicklung, besonders in Europa, differenzierter. Dort bildeten sich Regionen mit bestimmen Anbauprodukten heraus. Im Mittelalter drang der Ackerbau schließlich auch in Gebiete vor, die an sich ein ungünstiges Relief und Klima sowie schlechte Böden aufwiesen. Eine maßgebliche Phase der Gestaltung des Agrarraums begann gegen Ende des 15. Jahrhunderts mit der europäischen Kolonisation und der damit verbundenen Übertragung europäischer Wirtschaftsformen sowie mit den Auswanderungsbewegungen des 16. und 19. Jahrhunderts. Die jüngste Veränderung des Agrarraums hat Mitte des 19. Jahrhunderts eingesetzt. Sie ist durch die Rationalisierung und Technisierung der Agrarwirtschaft gekennzeichnet. Dazu zählen moderne ertragssteigernde und bodenschonende Fruchtwechselsysteme, die Mechanisierung der Landwirtschaft und der Düngemitteleinsatz. Zur Ausweitung der agrarischen Produktionen trug auch die Züchtung neuer Pflanzensorten bei.Hitze und Kälte setzen der Landnutzung GrenzenSowohl ökonomische als auch ökologische Faktoren bestimmen Verlauf, Lage und Ausprägung der Grenzen agrarischer Nutzung. Die Bestimmung der verschiedenen ökologischen Grenzen geht von drei klimatisch bestimmten Grenzen aus: der Polar-, der Trocken- und der Höhengrenze des Ackerbaus.Die Kältegrenzen liegen dort, wo mit zunehmender geographischer Breite (Polargrenze) oder zunehmender Höhe (Höhengrenze) die Temperaturen für den Feldbau zu niedrig sind. Die Höhengrenze trennt die höheren Gebirgsteile inselartig von den genutzten tieferen Gebieten, geht in hohen Breiten in die Polargrenze über und steigt mit den Temperaturen von den Polen zum Äquator hin an. Im Gebirge kommt zu den klimatischen Faktoren noch das Relief als erschwerender Faktor für den Anbau hinzu. Der zunehmende Bevölkerungsdruck, überwiegend in den Entwicklungsländern, bringt ökonomische und ökologische Gefahren besonders für die tropischen Gebirge mit sich, wie etwa Bodenerosion und Störungen des Wasserhaushalts.Unterhalb der Trockengrenze erlauben die geringen Niederschläge und die hohe Verdunstung keinen Regenfeldbau mehr. An der klimatischen Trockengrenze beträgt das Verhältnis zwischen Niederschlag und Verdunstung eins zu eins. Die agronomische Trockengrenze beschreibt die Linie ausreichenden Niederschlags für den Anbau bestimmter Nutzpflanzen. Die Niederschlagswerte zur Bestimmung der agronomischen Trockengrenzen liegen höher als die der klimatischen Trockengrenze. Der wachsende Bevölkerungsdruck bewirkte eine ständige Ausweitung der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Gebiete jenseits der Trockengrenze und führte durch massive Wasserentnahme aus Flüssen, Seen und Grundwasserreservoirs für die Bewässerung häufig zur Schädigung des Naturhaushalts in diesen Regionen.Die Feuchtgrenzen hingegen umschließen solche Gebiete, die wegen Überschwemmungen, Moorbildung oder wegen Wasser stauender schwerer Böden eine Nutzung nicht mehr erlauben. Durch Entwässerung, Abflussregelung und Moorkultivierung ist es jedoch möglich, die Feuchtgrenzen zurückzudrängen. Unter dem Sammelbegriff der Nassgrenzen werden vor allem jene Grenzbereiche des menschlichen Lebensraums verstanden, in denen zu große Feuchtigkeit des Bodens seine landwirtschaftliche Nutzung be- oder verhindert. Die Meeresgrenze der Landnutzung kann sich schließlich durch die abtragende Tätigkeit der Meeresbrandung (Abrasion), Sturmfluteinbrüche, aber auch durch Neulandgewinnung, wie beispielsweise in den Niederlanden, verändern.Die Landschaftsgürtel als agrarische GunsträumeDie Landschaftsgürtel der Erde werden durch das Klima, den Boden, die Pflanzen- und Tierwelt bestimmt und geben den regionalen Rahmen für die landwirtschaftliche Nutzung vor.Die Zone am Äquator unterliegt besonderen Bedingungen. Bodenfruchtbarkeit und Niederschlagsverhältnisse bestimmen die Landwirtschaft in den Tropen maßgeblich. In den feuchten Tropen (Regenwald, Feuchtsavanne) laufen die Bodenbildungsprozesse anders ab als in den trockenen Tropen (Trocken-, Dornsavanne). In den feuchten Tropen werden die Böden durch den Wasserüberschuss stark ausgewaschen. Diese Böden bezeichnet man als Latosole oder Ferallite. Sie sind in der Regel sehr nährstoffarm. Die hohe Produktionskraft des Feuchtwalds erklärt sich nur dadurch, dass der Nährstoffvorrat aus der gerade abgestorbenen Biomasse außerordentlich rasch umgesetzt wird. Die hohe Remineralisierungsrate macht die Nährstoffe im Oberboden für die Pflanzen rasch wieder verfügbar. Durch diesen Nährstoffkreislauf im Oberboden wird die ständige Regeneration des Walds trotz des geringen Mineralgehalts und der schwachen Speicherfähigkeit der Tonminerale in den unteren Bodenhorizonten ermöglicht. Dieser Kreislauf wird jedoch durch die Brandrodung des Regenwalds empfindlich gestört.Die Böden der trockenen Tropen zeichnen sich im Vergleich zu denen der feuchten Tropen durch eine höhere potenzielle Fruchtbarkeit aus. Der niedrigere Wassergehalt wiederum beschränkt den Feldbau, der in der Dornsavanne nicht mehr möglich ist. Trotz klimatischer Nachteile werden innerhalb der Tropen bevorzugt die Trockensavannen infolge ihrer guten Bodenqualität landwirtschaftlich genutzt und weisen einen hohen Kulturlandanteil auf.In den tropischen Gebirgen werden natürliche Vegetation und landwirtschaftliche Nutzung in verschiedene Höhenstufen gegliedert. Der Anbau von tropischen und subtropischen Kulturpflanzen wie Kaffee, Kakao und Bananen geht mit zunehmender Höhe in Kulturarten der gemäßigten Breiten über. In den tropischen Höhenregionen spielt schließlich auch die Viehhaltung auf der Grundlage von Weide- und Feldfutterbau eine wichtige Rolle. Jenseits der Kältegrenze lässt sich nur extensive Weidewirtschaft betreiben.Die Wüstensavannen und Wüsten schließen sich polwärts an die Dornsavannen an. Sie sind in Nord- und Südamerika, vor allem aber in Nordafrika, Asien und Australien verbreitet. Diese extremen Trockengebiete erlauben nur eine extensive Nutzung durch nomadische Viehhaltung sowie sporadische Jagd- und Sammelwirtschaft. In den Oasen kann jedoch ein intensiver Anbau dank der Bewässerung mit Grund-, Quell- oder Flusswasser betrieben werden. Neben der dort weit verbreiteten Dattelpalme werden insbesondere auch Mais, Weizen, Gerste, Hirse, Baumwolle und Agrumen angebaut.Die Subtropen, die sich polwärts den Tropen anschließen, sind je nach Niederschlagshöhe in trockene, winterfeuchte sowie sommer- und immerfeuchte Subtropen zu differenzieren. Landwirtschaft in den winterfeuchten Subtropen erfordert zum Ausgleich der Sommertrockenheit Bewässerung. Im Gegensatz zum Bewässerungsfeldbau wird beim Trocken- und Regenfeldbau der Wasserbedarf der Nutzpflanzen vollständig aus den Niederschlägen gedeckt. Im Mittelmeerraum wird Trockenfeldbau bei Weizen, Gerste und Mais betrieben. Die Transhumanz, eine Form der Fernweidewirtschaft im mediterranen Raum, passt sich dem Verlauf der Jahreszeiten an. In den sommer- und immerfeuchten Subtropen bieten Niederschläge und höhere Temperaturen im Sommer die besten Voraussetzungen für die Bodennutzung. Hier werden landwirtschaftliche Produkte wie verschiedene Getreidearten, Baumwolle, Erdnüsse, Tabak, Agrumen und Tee angebaut. Der Viehhaltung kommt keine besondere Bedeutung zu, sie beschränkt sich auf Futterbau oder Weidewechselwirtschaft.Optimale Bedingungen in der kühlgemäßigten ZoneDie kühlgemäßigte Zone, die polwärts an die Subtropen angrenzt, ist klimatisch sehr vielfältig und teilt sich in die Unterzonen der ozeanischen, wintermilden Waldklimate und der kontinentalen Schwarzerdesteppen. In der kühlgemäßigten Zone finden sich die ausgedehntesten Feldbaugebiete der Erde dank günstiger Niederschlags- und Temperaturverteilung sowie guter Böden. Diese günstigen natürlichen Voraussetzungen führten zur Entwicklung einer vielfältigen Kulturlandschaft. Neben Getreidearten (Weizen, Gerste, Roggen, Hafer und zunehmend Mais) werden Hackfrüchte und Futterpflanzen (Kartoffeln, Zuckerrüben, Futterrüben, Luzerne, Klee) angebaut. In klimamilden Regionen treten auch Sonderkulturen (Obst, Wein, Feldgemüse) auf. Die Viehwirtschaft ist ebenfalls in diesem Raum sehr ausgeprägt. Die Schwarzerdesteppen besitzen die besten Ackerböden der Erde. So stellen die leicht erschließbaren Steppen Nordamerikas und der GUS-Staaten heute wichtige Produktionsräume für Weizen, Mais, Zuckerrüben und Ölpflanzen dar. Durch Zerstörung ihrer natürlichen Vegetation fielen aber große Flächen der Bodenabtragung durch Wind und Wasser zum Opfer. In den trockensten Teilen der Steppen stößt der landwirschaftliche Anbau allerdings an seine Grenzen und wird von extensiver nomadischer Viehhaltung abgelöst. Mithilfe von Trockenfarmsystemen (englisch: dry farming) und Bewässerungsanlagen kann diese Grenze jedoch weiter in die Trockengebiete verschoben werden. Die klimatischen und naturräumlichen Bedingungen der kaltgemäßigten borealen Zone erlauben den Feldbau nur auf Rodungsinseln im Wald. Während in der subpolaren Zone kein Feldbau, jedoch extensive Weidewirtschaft in Form von Rentierhaltung möglich ist, ist in der polaren Zone jegliche landwirtschaftliche Nutzung ausgeschlossen.Methoden der NeulanderschließungBereits vor Jahrhunderten gehörte es zu den Aufgaben staatlicher Agrarpolitik, neue Nutzflächen für die Landwirtschaft zu erschließen. Die Anlage von Reihendörfern in Rodungsgebieten (Waldhufensiedlungen) in den Mittelgebirgen Mitteleuropas ist ein Beispiel obrigkeitlicher Planung. Aber auch im 20. Jahrhundert wurden Pläne zur Neulanderschließung aufgestellt. Hierzu kann man die Kolonisierung asiatischer Steppengebiete in den GUS-Ländern, die Flüchtlingsansiedlung in Lappland nach dem Zweiten Weltkrieg oder den niederländischen Zuiderzeeplan zur Neulandgewinnung aus dem Meer zählen. Heute werden neue Flächen vor allem in den Steppen- und Savannenzonen und im tropischen Regenwald der Entwicklungsländer erschlossen.Die Nutzfläche kann durch Rodung der natürlichen Vegetation, durch Kultivierung von Grasland und Mooren, durch Bewässerung oder durch Landgewinnung aus dem Meer erschlossen werden. Heute wird meist mithilfe von Maschinen gerodet. In den Tropen und Subtropen herrscht jedoch noch die Brandrodung vor, auf die in der Regel der Wanderfeldbau (englisch: shifting cultivation) und die Landwechselwirtschaft folgen. Die Erschließung von offenem Grasland erfolgt durch Umbruch zu Ackerland oder durch Beweidung. Im subtropischen Raum werden oftmals Weidebrände am Ende der Trockenzeit gelegt, um in der Regenzeit das Neuausschlagen der Gräser zu beschleunigen. Besonders in Norddeutschland wurde die Moorkultivierung zur Neulanderschließung durchgeführt. Hierbei wird ein Gebiet über Gräben und Kanäle zunächst entwässert und danach durch Tiefpflügen und Düngung urbar gemacht. Auch die Bewässerung hat eine lange Tradition innerhalb der Neulanderschließung. Sie wird nicht nur in Trockengebieten eingesetzt, sondern dient auch der Ertragssteigerung auf bereits erschlossenen Flächen.Die Landgewinnung aus dem Meer erfordert ein hohes Maß an Kapital- und Arbeitseinsatz. Die bekanntesten Neulandgebiete befinden sich an den Wattenküstenrändern der Nordsee. Nach Entwässerung und Entsalzung der fruchtbaren Polder- oder Marschböden kann die landwirtschaftliche Nutzung beginnen. In den Niederlanden entstand durch Einpolderung der Zuiderzee eine neue, 1650 Quadratkilometer große Kulturlandschaft.Ursachen der NeulandgewinnungDie Grenzen des Agrarraums sind instabil und ständigen Schwankungen unterworfen. Hierfür sind demographische, ökonomische, politische und ökologische Faktoren verantwortlich. Hauptbeweggründe für die Neulanderschließung sind das Bevölkerungswachstum und der dadurch erhöhte Bedarf an Nahrungsmitteln. Aber auch der Preisverfall oder die -steigerung für landwirtschaftliche Produkte beeinflussen die Größe des agrarwirtschaftlich genutzten Raums. In den USA führte unter anderem der Verfall des Weltweizenpreises in den 1930er-Jahren zu einer Verkleinerung der Weizenanbaufläche.Die Neulanderschließung im Zuge der europäischen Überseekolonisation ab dem 16. Jahrhundert war machtpolitisch motiviert und beruhte auf der Ausdehnung der politischen Einflusssphäre europäischer Staaten. Ökologische Faktoren wie Klimaschwankungen beeinflussten die Anbaugrenzen zum Beispiel in Island und Grönland. Auch anthropogene Umweltschäden wie die Ausdehnung der Sahara (Desertifikation) drängen die Grenzen des Landbaus zurück.Während in den Industrieländern teilweise Prämien für Flächenstilllegungen gezahlt werden, um die Überproduktion abzubauen, expandieren die Anbaugebiete in den Entwicklungsländern stark. Brasilien ist ein Beispiel für die zum Teil vom Staat geregelte, meist aber unkontrollierte Landnahme. Dort richten Abholzung und Brandrodung große ökologische Schäden an. Ebenso sorgen technische Verbesserungen in der Landwirtschaft sowie veterinärhygienische Fortschritte für eine Ausdehnung des Agrarraums. Der Einsatz von Herbiziden beispielsweise verringert die Arbeitszeiten für das Unkrautjäten, sodass mehr Fläche bewirtschaftet werden kann. Durch eine bessere Verkehrsanbindung kann die Entfernung zwischen Produzent und Absatzmarkt schneller zurückgelegt werden. Die damit verbundenen günstigeren Transportkosten und die Zeitersparnis ermöglichen es, mehr Land zu bewirtschaften.ÄgyptenBesonders gravierend ist das explosive Bevölkerungswachstum in Ländern wie Ägypten. Da das Kulturland nur 2,6 Prozent des Staatsgebiets umfasst, ist der rasche Bevölkerungsanstieg kaum zu verkraften. Die kleine Fläche des Niltals und -deltas wird sehr intensiv landwirtschaftlich genutzt und ist gleichzeitig Siedlungsraum der meisten Ägypter. Die restliche Landesfläche ist unwirtliche Wüste. Um die Steigerung der Nahrungsmittelproduktion dem Bevölkerungswachstum anzupassen, kann die Landwirtschaft intensiviert sowie neues Ackerland mittels Wüstenkultivierung erschlossen werden.Landesweit wurde in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts insgesamt eine Fläche von 411 000 Hektar neu erschlossen, davon aber bisher nur 259 000 Hektar landwirtschaftlich genutzt. Die Diskrepanz zwischen erschlossenem und tatsächlich genutztem Gebiet hängt damit zusammen, dass in den Neulandgebieten ein langer Zeitraum bis zum Erreichen der Produktivität verstreicht. Grundsätzlich fehlt eine langfristig angelegte Siedlungs- und Entwicklungspolitik, die Neulandprojekte werden übereilt geplant und ausgeführt. Fehlende oder fehlerhafte Infrastruktureinrichtungen führen beispielsweise zum Zusammenbruch der Stromversorgung und in der Folge zu einer Lahmlegung vieler Tiefbrunnen und Pumpsysteme, die zur Bewässerung erforderlich sind.Ein weiteres Problem stellt die zum Teil große Entfernung zwischen den Neulandgebieten und den Absatzmärkten dar, sodass die landwirtschaftlichen Produkte aufgrund der hohen Transportkosten nicht mehr gewinnbringend vermarktet werden können. Durch Unzulänglichkeiten oder Missmanagement bei der Entwässerung kommt es zu Bodenvernässung und -versalzung. Auch werden Anbaugebiete häufig von Wanderdünen überdeckt. Die abnehmende Leistung vieler Tiefbrunnen und die steigenden Förderkosten beeinträchtigen die Produktivität der Neulandgebiete zusätzlich.Die Neulandgebiete können — wie in Saudi-Arabien — nur mit Subventionen für den Ackerbau wirtschaftlich genutzt werden. Entwicklungsfähigeren Bereichen der ägyptischen Volkswirtschaft gehen hierdurch staatliche Investitionen verloren. Da die Wasservorräte Ägyptens größtenteils vom Nil abhängen und sich sein Wasser nach heutigem Kenntnisstand deutlich verknappen wird, kommen auf die Landwirtschaft im Bereich von Niltal und -delta große Probleme zu. Die Lage spitzt sich unter anderem durch die Wasserentnahme der Nilanrainerstaaten flussaufwärts zu.Die Neulanderschließung in bevölkerungsreichen Ländern wie China ist seit Ende der 1930er-Jahre quantitativ bedeutsam. Die Deckung des gewaltigen Nahrungsmittelbedarfs von weit über einer Milliarde Chinesen wird dadurch erschwert, dass zwei Drittel der Gesamtfläche Chinas zu den Trockengebieten und Hochgebirgen gerechnet werden. Mithilfe moderner Bewässerungstechnologie wurden am Rand großer Beckenlandschaften Flussgebiete und Gebirgsfußoasen neu erschlossen. Nachdem jedoch seit den 1950er-Jahren die Anzahl der in Betrieb genommenen Bewässerungsanlagen zunahm, versiegten in den Trockengebieten immer mehr Unterläufe. Daraufhin versuchte man die hohen Verdunstungsraten bei Staubecken und Kanälen durch den Bau unterirdischer Wasserspeicher und baumbestandener Kanäle sowie durch die Instandsetzung unterirdischer Stollensysteme zu verringern.Zur Entwicklung neuer Bewirtschaftungsmethoden tragen vor allem die Staatsfarmen bei, auf die unter anderem das Scientific Farming zurückgeht. Hierbei verbesserte man die im Anbau verwendeten Pflanzenvarietäten, erhöhte durch Hybridzüchtungen die Anpassungsfähigkeit der Pflanzen und Fruchtfolgen und erreichte durch die Mechanisierung eine Produktivitätssteigerung. Ebenso wurden Düngeranwendung und Bewässerungstechnik verfeinert. Durch den Einsatz von Drainagesystemen sowie das Anlegen von Grünstreifen versucht man, die Versalzung und Desertifikation in den Griff zu bekommen.Neben diesen Erfolgen in der Landerschließung gab es aber auch Rückschläge. So wurden in den 1960er-Jahren große Weidegründe (etwa 200 000 Hektar) in der Inneren Mongolei für den Getreideanbau erschlossen, da man davon ausging, dass gute Weideflächen auch für den Ackerbau zu nutzen seien. Nach einiger Zeit stellte man jedoch fest, dass über 92 Prozent für den Ackerbau völlig unbrauchbar waren, und legte die Flächen wieder still. So wurde gutes Weideland zerstört und man musste wegen Futtermangels für die übrig gebliebenen Herden im Winterhalbjahr Futtermittel importieren. Nach diesem Fehlschlag stellte man die Bodennutzung erneut auf Weidewirtschaft um. Nach einer Regenerationsphase darf dieses Gebiet heute wieder zu Recht »Fleisch- und Milchtopf Chinas« genannt werden.Neulanderschließung um jeden Preis?Das Beispiel Ägyptens zeigt deutlich, dass hinsichtlich der Erweiterung des Agrarraums in der Dritten Welt vor euphorischer Zuversicht gewarnt werden muss. Eine massive Ausdehnung in Trockengebiete ist ohne sorgfältige Planung und technisches Know-how nicht möglich. Trotzdem gibt es in Ägypten Pläne, die die Erschließung von 2,7 Millionen Hektar Land vorsehen. Dabei soll unter anderem ein 370 Kilometer langer Kanal vom Nassersee südlich von Assuan bis in die neu zu erschließenden Gebiete gebaut werden.In China erhöht sich durch die beständig wachsende Bevölkerung auch der Nahrungsmittelbedarf immer weiter. Andererseits erscheinen Neulanderschließungen in den Trockengebieten ökologisch und ökonomisch nicht mehr möglich. Das lässt den Schluss zu, dass in China die Nahrungsmittelproduktion nur noch durch eine Intensivierung des Ackerbaus und der Viehwirtschaft gesteigert werden kann. Auch die chinesische Regierung hat dies erkannt und senkte die Subventionen für Erschließungen von Neuland in den letzten Jahren drastisch.Bodennutzungssysteme in der LandwirtschaftDominiert bei der Bodennutzung eines Betriebs oder eines größeren Agrarraums eine Kulturart, spricht man von Monokultur. Die Reisanbaugebiete Südostasiens sind ein Beispiel für diese einseitige Bodennutzung. Die Vorteile der Monokultur liegen im konzentrierten Einsatz der Produktionsfaktoren auf ein Produktionsziel sowie der damit verbundenen Kostenreduktion und Rationalisierung. Nachteilig wirken sich die einseitige Abhängigkeit von Witterung, Absatz und Preisentwicklung sowie Bodenermüdung und Pflanzenkrankheiten aus. Die Polykultur ermöglicht dagegen einen Risikoausgleich. Die Abhängigkeit von Witterung und Markt wird gemildert, die Anpassung an die Bodenverhältnisse lässt sich flexibler gestalten.Ein Wechsel der Bodennutzung kann eine Bodenerschöpfung verhindern und der Regeneration des Ausgangsmaterials dienen. Es ist zwischen einem Nutzungswechsel mit Flächenwechsel und einem Nutzungswechsel auf der gleichen Fläche zu unterscheiden. Bei den Systemen mit Flächenwechsel wird die Nutzung aufgrund eines nachlassenden Bodenertrags verlagert. Hierbei ist entweder ein Anbauflächenwechsel (englisch: shifting cultivation) oder ein Weideflächenwechsel möglich. Der Anbauflächenwechsel ist die älteste Form der Landnutzung. Beim Weideflächenwechsel bewirken die klimatischen und natürlichen Bedingungen wie etwa mangelnde Niederschläge und Überweidung aufgrund der ungenügenden Futtergrundlage das Aufsuchen neuer Weideflächen. Nomadismus und Transhumanz sind die Hauptformen der Viehwirtschaft mit Flächenwechsel. Während dieser Flächenwechsel im Nomadismus mit einer Verlegung der Siedlung einhergeht, bleiben bei der Transhumanz die Siedlungen stationär.Bei den Systemen ohne Flächenwechsel erfolgt der Anbau auf fest abgegrenzten Parzellen. Aufgrund der langen Beanspruchung des Bodens sind Düngung oder Fruchtfolgen zum Erhalt der Ertragfähigkeit erforderlich. Um einer Bodenermüdung entgegenzuwirken, kann ein Nutzungswechsel durch Kombination von Ackerbau, Wald und Grünland oder innerhalb des Ackerbaus durch Fruchtfolgen geschehen. Neben den Bodenverhältnissen hat die Anbauordnung den jährlichen Klimaablauf zu berücksichtigen, das heißt die Höhe und Verteilung der Niederschläge sowie die Temperaturen. Je nach Wasserbedarf der Pflanzen und Speicherkapazität des Bodens ist zu entscheiden, ob Regenfeldbau betrieben werden kann oder ob bewässert werden muss, um die Wasserversorgung zu sichern. Die Dauer der Nutzung beim Regenfeldbau hängt von der jährlichen Niederschlags- und Temperaturverteilung ab. Erlauben die Niederschläge und Temperaturen einen ganzjährigen Anbau, wie zum Beispiel in den Tiefländern der immerfeuchten inneren Tropen, spricht man von Dauerfeldbau; ist ein Anbau nur im jahreszeitlichen Wechsel möglich, spricht man von Jahreszeitenfeldbau.Formen der ViehwirtschaftDie Viehwirtschaft lässt sich nach Nutzvieharten (zum Beispiel Rindern, Schweinen und Schafen), Produktionszielen wie Viehzucht und Viehhaltung (Trag-, Zugtierhaltung, Milchvieh-, Jungviehhaltung) und Organisationsformen klassifizieren. Bei den Organisationsformen unterscheidet man zwischen Wanderviehwirtschaft und stationärer Viehwirtschaft.Die Wanderviehwirtschaft vollzieht sich im Nutzungssystem des Weideflächenwechsels und ist mit dem Nomadismus verbunden. Sie stellt die am weitesten in die Randbereiche des menschlichen Lebensraums vorgeschobene agrarische Nutzform dar und vollzieht sich in enger Anpassung an die Naturgrundlagen. Die Agrarbevölkerung wandert mit den Herden zwischen den Weidegründen. Die Tierbestände dienen der Selbstversorgung, in neuerer Zeit aber auch schon zum Teil der Marktversorgung. Heute ist die nomadisierende Weidewirtschaft rückläufig, sie wird nur noch in Teilen West- und Zentralasiens sowie in Nordafrika betrieben. Die Transhumanz ist — entsprechend den klimatischen Bedingungen — vor allem in den subtropischen Randländern des Mittelmeers verbreitet. Die Almwirtschaft unterscheidet sich von der Transhumanz darin, dass sie im Winter eine Einstallung mit Fütterung in den Dauersiedlungen umfasst. Die Höhenweiden (Almen) werden von Frühjahr bis Herbst aufgesucht. Dort befinden sich auch die saisonalen Siedlungen der Hirten. Die Almwirtschaft ist in den Alpen und in vielen Mittelgebirgen Mitteleuropas sowie in Nordeuropa verbreitet.Die stationäre Viehwirtschaft wird als reine Weidewirtschaft ohne Ackerbau oder in Verbindung mit Stallhaltung betrieben. Diese Form der Weidewirtschaft erzeugt mit geringem Arbeits-, aber hohem Flächenaufwand tierische Produkte für den Markt. Sie findet sich als »Ranchwirtschaft« in den semiariden Steppen- und Savannengebieten Nordamerikas, aber auch in den Nachfolgegebieten der Viehsowchosen und -kolchosen der GUS-Staaten. Die intensive Form der stationären Viehwirtschaft ist mit Ackerbau kombiniert und erzielt bei einem höheren Aufwand an Arbeit und Kapital größere Erträge je Flächeneinheit als die stationäre Weidewirtschaft ohne Ackerbau. Ackerbau und Viehwirtschaft sind durch die Lieferung von Dünger seitens der Viehwirtschaft und von Futter seitens des Ackerbaus voneinander abhängig. Die Umwandlung der landwirtschaftlichen Produkte über den Tiermagen in tierische Produkte wird unter dem Begriff Futterveredlung zusammengefasst. Sie gewinnt in den Industrieländern an Bedeutung und nimmt immer mehr Ackerflächen in Anspruch. Die Massentierhaltung ist die am stärksten technisierte und rationalisierte Form der Viehwirtschaft. Sie kann sich jedoch wegen der großen Abfallmengen auf die Umwelt und die Gesundheit der Tiere nachteilig auswirken.Prof. Dr. Hans-Dieter HaasWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Mineraldüngung und PflanzenschutzmittelLandschaftszerstörung durch ZersiedlungArnold, Adolf: Allgemeine Agrargeographie. Gotha u. a. 1997.Borcherdt, Christoph: Agrargeographie. Stuttgart 1996.Eckart, Karl: Agrargeographie Deutschlands. Agrarraum und Agrarwirtschaft Deutschlands im 20. Jahrhundert. Gotha u. a. 1998.Land- und Forstwirtschaft in Deutschland. Daten und Fakten 1999, heraugegeben vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Bonn 1999.Nisbet, Euan G.: Globale Umweltveränderungen. Ursachen, Folgen, Handlungsmöglichkeiten. Klima, Energie, Politik. Aus dem Englischen. Heidelberg u. a. 1994.Der Öko-Atlas, herausgegeben von Joni Seager. Aus dem Englischen. Neuausgabe Bonn 1995.Sick, Wolf-Dieter: Agrargeographie. Braunschweig 31997.Tivy, Joy: Landwirtschaft und Umwelt. Agrarökosysteme in der Biosphäre. Aus dem Englischen. Heidelberg u. a. 1993.Westermann-Lexikon Ökologie & Umwelt, herausgegeben von Hartmut Leser. Braunschweig 1994.Whitmore, Timothy C.: Tropische Regenwälder. Eine Einführung. Aus dem Englischen. Heidelberg u. a.1993.
Universal-Lexikon. 2012.